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Das Management des Rhein-Alpen-Eisenbahnkorridors, eine praktische Umsetzung des europäischen Aufbaus durch das Transportwesen

Publié le 21/01/2021
Auteur(s) : Antoine Beyer, professeur des universités - MRTE - université de Cergy-Pontoise
Traduction :
Charlotte Musselwhite-Schweitzer, professeure des écoles (retraitée) - académie de Rennes

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Die Karte der transeuropäischen Verkehrsnetze legt auf der Ebene der Union vorrangige Korridore fest, um den Verkehr von Personen und Gütern zu erleichtern. Der Rhein-Alpen-Korridor zwischen Rotterdam und Genua, eine Hauptachse für den Güterverkehr, ist ein interessanter Fall , um die Funktionsweise der Europäischen Union zwischen Souveränität der Staaten und gemeinschaftlichem Handeln zu verstehen. Ohne sich an die Stelle der anderen Ebenen zu setzen, gelingt es der europäischen Regierung, einen Kompromiss zwischen privaten und öffentlichen Akteuren zu schaffen und damit die Integration der Territorien zu verstärken.

Voir l'original en français : « La gestion du corridor ferroviaire Rhin-Alpes, une mise en pratique de la construction européenne par les transports ». Publication en partenariat avec le site La Clé des Langues - allemand.

Dies ist die deutsche Übersetzung eines Artikels auf Französisch von 2019: "La gestion du corridor ferroviaire Rhin-Alpes, une mise en pratique de la construction européenne par les transports".

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Einleitung: Die transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V), die Ambition einer Karte

Der Maastrichter Vertrag (1992) erkennt der Europäischen Union das Recht zu, Europa betreffende Transportinfrastrukturen mitzufinanzieren. Ziel ist es, Verwirklichungen zu subventionieren, die das Angebot im Bereich des Transports vereinheitlichen, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung von bisher fehlenden Verbindungen zwischen nationalen Netzwerken, auch zur Auflösung von Engpässen und zur Förderung des Personen- und Güteraustauschs. Hinzugekommen ist die Fürsorge für die Umwelt beim Bau von Infrastrukturen und dem Gebrauch der Verkehrsmittel. Nach verschiedenen Bedenken wegen Tragweite und Art der Intervention hat die Kommission ein zentrales Netzwerk (oder core network) definiert, das die Hauptverkehrskorridore zusammenlegt. In diesem Rahmen nimmt die Kommission eine quasi föderale Funktion ein, indem sie Verwirklichungen ermöglicht, welche die Mitgliedsstaaten nicht in Betracht ziehen wollen oder können, zum Beispiel wegen fehlender Mittel, fehlenden Interesses oder einfach fehlender Rechtmäßigkeit, etwa im Fall von grenzüberschreitenden Abschnitten.

Die Karte der transeuropäischen Netze oder TEN-V (Abb. 1), so, wie sie in den Planungsunterlagen der EU definiert ist, zeigt eine wunderbare Kohärenz und eine große Einheit. Sie zeichnet ein globales Netz, es ist ebenmäßig und integriert europäische Transportinfrastrukturen, welche schon existieren oder zu schaffen sind. Natürlich kann man dieser Darstellung mangelnden Realismus vorhalten sowie Ambitionen, welche nur mit astronomischen Investitionen, schätzungsweise 750 Mrd. EUR (Europäische Kommission, 2017), zu verwirklichen wären. Diese Karte gibt also weder ein politisches Projekt noch eine technische Planung wieder. Aber auch über die Streckenzeichnungen hinaus ist diese Karte  interessant, weil sie dazu einlädt, die institutionellen Mechanismen bei der Beschlussfassung genauer ins Auge zu fassen.

Abb. 1. Die 9 Transportkorridore des Gesamtnetzwerks des TEN-V

Corridors européens de transport

Quelle : Europäische Kommission

 

Um den Beitrag zu veranschaulichen und die konkreten Implikationen der Mechanismen, die auf dem Spiel stehen, aufzuzeigen, haben wir den nördlichen Teil des Rhein-Alpen-Bahnkorridors ausgewählt, eine Hauptachse für das europäische Transportsystem. Mit der Interpretation eines typischen Falls ergibt sich die Gelegenheit zu zeigen, wie der europäische Aufbau trotz unterschiedlicher Akteure und herangezogener Ebenen geschieht, und zwar dank einer engen technischen und politischen Koordinierung.

Der Aufsatz stützt sich auf Sekundärforschung, welche die verschiedenen Entscheidungsebenen gegenüberstellt, die im TEN-V - Projekt enthalten sind. Diese bringt zunächst einmal den rheinischen Eisenbahnkorridor in die Perspektive der globalen Planung des TEN-V und präsentiert die Eigenheiten seiner Kalibrierung sowie seine technischen und finanziellen Herausforderungen. In einem zweiten Teil werden die institutionellen Koordinationsmechanismen vorgestellt. Der dritte Teil letztendlich beleuchtet die zentrale Stellung, welche den europäischen Gremien zukommt, die diese komplexe governance steuern.

1. Der Rhein-Alpen-Eisenbahnkorridor innerhalb des TEN-V : ein Verkehrssystem von europäischer Reichweite

Die  Rhein-Alpen-Achse ist einer der neun vorrangigen Korridore des TEN-V-Projekts, das im Oktober 2013 definiert wurde. Mit einem internationalen Verkehr in  Höhe von 372 Mio. Tonnen (2014) ist sie die am meisten beanspruchte Strecke Europas. Ihre Gliederung gehört auch zu den ältesten und zeichnet sich durch die seit dem 19. Jahrhundert wichtig gewordene internationale Kontrolle aus (Beyer, 2014).

1.1. Die Bedeutung des rheinischen Korridors in den europäischen Vorhaben

Die Funktion des rheinischen Korridors als natürliche Verbindung zwischen den Häfen der Nordsee und ihren industriellen Hinterländern strukturiert den Hauptmeridian der europäischen Achse. Die hohe Verkehrsdichte unterliegt heute der Herausforderung eines wachsenden Austauschs. Die tägliche maximale Kapazität von 288 Zügen (Güter und Personen) ist bereits zu über 90 % im Verkehrsgebiet des Oberrheins erreicht (Europäische Kommission, 2014). Der Rheinkorridor kanalisiert so die vorrangigen Investitionen in den betroffenen Ländern, und zwar mit unterschiedlichen Zielsetzungen: den Transit erleichtern und die damit verbundene Logistik ausnutzen (Belgien und Niederlande), die Bedürfnisse der Industrie abdecken (Deutschland), oder sich an das wirtschaftliche Zentrum des Kontinents mit seinen weltweiten Möglichkeiten andocken (Schweiz, Frankreich). Italien sucht darin seinen Anschluss an die Märkte Nordeuropas. Um den Bedürnissen des Güterverkehrs gerecht zu werden, sind alle Arten von Transport gefragt: der Wasserweg stellt 54 % der Tonnenkilometer dar, gegen 12 % per Bahn und 32 % per Straße.

Die zentrale Stellung der rheinischen Achse macht sie zum wichtigsten Schaufenster der europäischen Union in Sachen Verkehrspolitik. Es ist eine große Herausforderung, die sich als eine dynamische Alternative versteht, genährt von der intensiven Konkurrenz zwischen Bahnakteuren und anderen Transportarten. Um dem gerecht zu werden, muss die Infrastruktur ihre Kapazitäten anpassen und eine intensivere Nutzung fördern. Jedoch müssen alle Arbeiten stattfinden, ohne den dichten Verkehr zu stören, und jeder Zwischenfall kann schwerwiegende Konsequenzen haben, wie der Vorfall von Rastatt zeigt (siehe unten), der den Eisenbahnverkehr zwischen August und Oktober 2017 unterbrochen hatte (Bavay, Guihéry, 2018).

Foto 1. Eisenbahnlinie am Rhein entlang in Remagen (Rheinland-Pfalz)

Voie ferrée Palatinat

Foto von Qualle, 2005, mit Genehmigung von GNU (Quelle).

 

1.2. Der Rhein-Alpen-Korridor, die Grundlagen für eine technische und finanzielle Kalibrierung

Der multimodale Rhein-Alpen-Korridor besteht aus dem Rhein als Wasserstraße für große Schiffe (Schiffsverband bis zu 3000 t bis Basel), wobei gleichzeitig beträchtliche Alternativrouten per Bahn und Straße existieren (Tabelle 1). Er ähnelt ganz und gar nicht der schematischen Linie auf der globalen TEN-V-Karte (Abb. 1) und ist eigentlich wie ein Bündel von örtlich verdoppelten Wegstrecken gegliedert (Abb. 2, links). Das transeuropäische Netz ist ebenfalls nicht auf eine lineare Entwicklung von Infrastruktur begrenzt. Es enthält auch Verkehrsknoten: Bahnhöfe, Binnen- und Seehäfen, Schiene-Straße-Terminals, Flughäfen (Abb. 2, rechts). Diese letzteren spielen eine entscheidende Rolle in Bezug auf Verkehrskapazität und Ergänzungsmöglichkeiten zu den anderen Verkehrsmitteln. In dieser Hinsicht können sie aus europäischen Mitteln finanziert werden. Der schweizerische Teil des Netzes ist im globalen Projekt inbegriffen, um die funktionierende Kontinuität aufrechtzuerhalten, ohne jedoch diesbezüglich Kontrolle und finanzielle Unterstützung von der europäischen Union beanspruchen zu können. Verhandlungen spezifizieren die technischen Verbindlichkeiten beider Seiten im umfassenderen Rahmen der Bilateralen Abkommen I und II, die 2000 und 2004 unterzeichnet wurden (Schwok, 2010).

Abb. 2. Der Rhein-Korridor, ein Strang von Infrastrukturen

Antoine Beyer — Corridor Rhin Alpes

Quelle: TEN-T Regulation 1316/2013, Anhang 1 Teil 1, in Europäische Kommission, 2014 [pdf]. Anpassung: Antoine Beyer, 2019

 
 
Tabelle 1. Länge und Anteil der verschiedenen Infrastrukturen des Rhein-Alpen-Korridors je nach Transportart
  Schiene Straße Binnenschifffahrtswege insgesamt
km % km % km % km %
Niederlande 435 13 % 260 15 % 424 27 % 1119 17 %
Belgien 499 16 % 275 16 % - 0 % 774 12 %
Deutschland 1322 41 % 708 41 % 1155 72 % 3185 49 %
Schweiz 560 17 % 286 17 % 21 1 % 867 13 %
Italien 409 13 % 192 11 % - 0 % 601 9 %
insgesamt 3225 100 % 1721 100 % 1600 100 % 6546 100 %

Quelle: Europäische Kommission 2014, Daten TENtec

 

Der Kommission geht es bei der Kalibrierung eines Korridors nicht in erster Linie darum, eine bereits bestehende Nachfrage auch für die Zukunft zu garantieren. Seine Dimensionierung wird durch die im Horizont 2030 geschätzten Bedürfnisse von Güter- und Personenverkehr festgelegt, dem Datum für die vollständige Fertigstellung des Netzes (Vorschrift EU-1315/2013). Ausgehend von den Daten von 2010 haben die Sachverständigen für den rheinischen Schienenfrachtverkehr ein Gesamtwachstum von 75 % der Tonnenkilometer bis 2030 festgelegt, was einem jährlichen Wachstum von 1,4 % entspricht. Diese Zahl wird die zu planende Kapazität des Netzes bestimmen (Abb. 3).

Abb. 3. Der Verkehr 2010 und die Prognose für 2030

Trafic ferroviaire Rhin Alpes 2010 2030 Carte

Quelle: Europäische Kommission 2014, Daten Panteia, und ETISplus. Übersetzung und Anpassung: Antoine Beyer 2019, Charlotte Musselwhite-Schweitzer, 2021.

 

Was den Rhein-Alpen-Bahnkorridor anbelangt, so sind bereits einige der Zielsetzungen erreicht; andere hingegen müssen auf den neuesten Stand gebracht werden (Tabelle 2). Die Spurweite ist auf der ganzen Strecke vereinheitlicht, und die Strecke ist vollständig elektrifiziert, wenn auch mit unterschiedlichen Spannungen je nach durchfahrenem Land: 15kV 16,7 Hz Wechselstrom in Deutschland und der Schweiz, 1500 V Gleichstrom in den Niederlanden und 3000 V in Belgien und Italien. Eine Lokomotive muss also für den grenzüberschreitenden Verkehr für drei bzw. vier unterschiedliche Netzspannungen ausgerüstet sein, um Zeitverluste durch Abhängen zu vermeiden.

 
Tabelle 2. Merkmale und Durchführungsquoten der erwarteten Vorgaben für die TEN-V (Eisenbahn) im Vergleich zu den erforderlichen EU-Normen im Rhein-Alpen-Korridor
erforderliche Daten Niederlande Belgien Deutschland Schweiz Italien insgesamt
Länge der Abschnitte (km) 435 499 1322 560 409 3225
Elektrifizierung 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 %
Spurweite = 1435 mm  100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 %
Geschwindigkeit Güterzug > 100 km/h 83 % 81,6 % 100 % 90,4 % 97,8 % 92,8 %
Achslast = 22,5 t 78,2 % 100 % 100 % 100 % 0 % 97 %
Länge der Güterzüge >740 m 100 % 100 % 100 % 100 % 0 % 87,3 %
ERTMS* 49,8 % 18,4 % 0 % 15,5 % 0 % 12,3 %

*ERTMS: europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS für European Rail Traffic Management System)

 

 
Kasten 1. Die europäischen Eisenbahnnetze harmonisieren

Die europäischen Verordnungen sehen die Harmonisierung der Normen für das TEN-V vor. So zielen die Erwartungen für die Bahn auf die Annahme gemeinsamer Merkmale: Standardspurweite von 1435 mm (was bereits erreicht ist, vgl. Tabelle 2), vollständige Elektrifizierung der Strecken (mit den unterschiedlichen Spannungen je nach Staat), Anpassung der Strecke für eine Mindestachslast von 22,5 Tonnen, die Annahmekapazität von Güterzügen von mindestens 740 m Länge bei 100 km/h (in Frankreich beträgt die Länge 750 m, dafür nur 550 m in Italien) ; und schließlich überall den Gebrauch des europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalsystems ERTMS, welches das Steuerungssystem vereinheitlicht und den Austausch zwischen Führerstand und Fahrdienstleiter normalisiert.

Der Übergang zu den neuen europäischen Normen erfordert Anpassung der Überhol- und Abstellgleise für die Züge. Ebenso bedeutet die Erhöhung der Achslast von 1600 auf 2000 t schwerere Züge, somit müssen die Anhängerkupplungen und die Zugleistung der Lokomotiven verändert werden, und auch die Bremsfähigkeit des Gesamtzuges muss angepasst werden. Die Beschleunigung auf 100 km/h kann zur Begradigung kurviger Streckenabschnitte führen.

Ein erheblicher Aufwand ist nötig, um die Interoperabilität des Verkehrsmanagements mit der Verbreitung des ERTMS (European Rail Traffic Management System) herzustellen, da nur die Neubaustrecken damit ausgerüstet sind. Insbesondere in Deutschland widerstrebt es den Netzwerkverwaltern, die eigene bundesweite Technologie zu ersetzen, da dies neue Signal- und Sicherheitseinrichtungen und eingebettete Systeme erfordert. Die neue Technologie, die eine höhere Verkehrsdichte erlaubt, ist somit eine Antwort auf die Verkehrszunahme. Veränderungen der Ausrüstung bedingen eine Investition, die nicht nur die Rheinachse betrifft, da dieses Material auch andere Strecken des Netzes benutzt. So ergibt sich eine vorübergehende Koexistenz zweier Normen und die damit verbundenen Mehrkosten. Die Investitionen sind dennoch nötig, um die nationalen Netzwerke letztendlich zu vereinheitlichen und ihre Kapazitäten an die vorgeschriebenen Normen anzupassen.

Was die Ausrüstung des Rollmaterials mit dem ERTMS betrifft, so belaufen sich laut Angabe der europäischen Institutionen (MEMO/05/235 Brüssel, 4. Juli 2005) die Kosten pro Einheit auf 100 000 EUR per neuem Triebfahrzeug. Die Preise für die Nachrüstung des bestehenden Materials bewegen sich zwischen 200 000 EUR und 300 000 EUR. Auf den Strecken geht die Einrichtung des ETCS (European Train Control System) in der Tat oft mit der vollständigen Erneuerung der Linie einher. Aus diesem Grund ist die Preisspanne recht breit, und die Schätzungen schwanken zwischen 30 000 EUR und 300 000 EUR pro Kilometer. Eine eingehende Untersuchung jeder einzelnen Strecke ist notwendig, um genaue Zahlen angeben zu können. In ersten Schätzungen hinsichtlich der Installierung des ETCS wird derzeit von Kosten zwischen 400 und 500 Mio. EUR pro Jahr ausgegangen, das sind ca. fünf Milliarden für die nächsten 10 bis 12 Jahre, um einen nennenswerten Teil des transeuropäischen Eisenbahnnetzes auszustatten. Unter diesen Bedingungen ist die Zurückhaltung der Eisenbahnbetreiber verständlich, die lieber mit der Renovierung des Systems warten wollen, bis die existierenden nationalen Systeme obsolet geworden sind (vgl. Europa.eu/rapid/press-release_MEMO-05-235_fr.pdf).

Für jedes der Merkmale kann eine Karte mit den zu vollziehenden Bauarbeiten erstellt werden, auf der die betroffenen Streckenabschnitte sowie die Kosten für die nötige Nachrüstung zu ersehen sind. Diese Zusammenstellung von Daten, um die vollständige Erhebung der nationalen Projekte ergänzt, bildet einen Fortschritt in der detaillierten Kenntnis der Infrastrukturen einer internationalen Route, und zwar auf einer erstmals einheitlichen Basis. Sie trägt zur Datenbank des TENtec Informationssystems der Europäischen Gemeinschaften bei. Eine Marktstudie zum multimodalen Verkehr innerhalb des Korridors hat ebenfalls stattgefunden. Sie informiert über die Lage des Verkehrs bis zum Jahr 2030 und spezifiziert die infrastrukturellen Bedürfnisse sowie die Kalibrierung der Baustellen für die kombinierten Transporte.

 

Wie für jeden europäischen Korridor wird der auszuführende Umbau aufgrund dieser bezifferten und normativen Zielsetzungen festgelegt und der Finanzierungsbedarf errechnet.

So wurde für den Rhein-Alpen Korridor festgehalten:

  • 245 Projekte (davon 19 noch nicht beziffert) für 47,615 Milliarden EUR.
  • 10 Projekte gemeinsam mit Korridor 6 (Nordsee – Mittelmeer) in Höhe von 2,158 Milliarden EUR.
  • 70 Projekte sind vorgemerkt, d.h. sie wurden bereits auf nationaler Ebene in Bezug auf Technik und Finanzierung genauer untersucht, was ihnen direkt die Finanzierung durch das Programm « Connecting European Facilities » für den Zeitraum von 2014 – 2020 erschließt, in Höhe von 29,854 Milliarden EUR.

Eine detaillierte Übersicht im Etappenbericht von 2014 (EC, 2014) ermöglicht eine Einsicht in die Interventionen und in die Bezifferung je nach gewähltem Nachrüstungstyp und natürlich je nach erwogenem Transportmittel (Tabelle 3).

 
Tabelle 3. Bestandsaufnahme der Projekte nach Transportmittel und vorgesehenem Kostenaufwand
Transportmittel Anzahl der Projekte Geschätzte Kosten (in Mio. €) Anteil an Gesamtkosten
Flughäfen 7 644 1 %
Binnenwasserstraßen und Binnenhäfen 37 5677 12 %
Schiene 60 31249 66 %
Straße 15 7617 16 %
Schiene-Straße-Terminals 7 373 1 %
Seehäfen 19 2055 4 %

Quelle: Europäische Union, 2014.

 

1.3. Eine Achsenlogik als Ergebnis einer Summe von lokalen Eingriffen

Ein Korridor entsteht nicht auf einmal, sondern passt sich regionalen Bedürfnissen und Prioritäten an. Die Verbesserung der rheinischen Eisenbahnachse geschieht so allmählich durch die Abfolge von zahlreichen Bauvorhaben. Obwohl ihre Durchführung einer vorrangigen europäischen Herausforderung entspringt, so überwiegt zuerst einmal der nationale und lokale Zeitplan, denn, auch wenn sich die EU an der Finanzierung beteiligt, so liegt die Entscheidung bei den für die Infrastruktur zuständigen Behörden, und das ist meist, was das Bahnnetz betrifft, bei den Staaten. Den Baurealisierungen an den Grenzen liegen deswegen zwischenstaatliche Absprachen zugrunde, an denen die EU nicht direkt beteiligt ist. In Deutschland unterliegt die Programmplanung einer Verhandlung zwischen dem Bund und den Ländern. Die Beschreibung der hauptsächlichen Vorhaben entlang der Achse ermöglicht es, die geplanten Baustellen genauer zu dokumentieren, gemäß dem Gesamtplan (Abb. 4), in dem sie dargelegt sind und den man im Einzelnen untersuchen kann. Der Korridor ist Gegenstand von Teilprojekten und zeigt entsprechend auch oft nur Teilverwirklichungen auf. Die Vorrangsstufen werden von den verschiedenen Staaten festgelegt, die auch die Untersuchungen in Auftrag geben und den Zeitplan bestimmen ((Vergleiche dazu: Gerhard Lob, « L’Allemagne en retard avec les lignes d’accès au Saint-Gothard », Swissinfo.ch, 12. Mai 2016. Aus dem Deutschen übersetzt von Olivier Pauchard.)).

Abb. 4. Der rheinische Bahnkorridor: ein Mosaik von zu modernisierenden Teilstrecken

Types d'investissements prioritaires à réaliser

Quelle: nach Code 24, 2014. 

Noise Mitigation = Lärmminderung ; Third Track = Dritte Spur ; Trimodal Terminal = Trimodales Terminal ; Upgrade node = Knotenaktualisierung ; New line Köln-Duisburg = Neue Strecke Köln-Duisburg ; New Trimodal Terminal Köln Area = Neues trimodales Terminal Bereich Köln ; Environmental upgrade existing line… (further studies needed) = Ökologische Aktualisierung der bestehenden Strecke … (weitere Untersuchungen erforderlich) ; Extension Trimodal Terminal Mannheim = Erweiterung trimodales Terminal Mannheim ; Tunnel Rastatt under construction = Tunnel Rastatt im Bau ; New Bimodal Terminal Lahr = Neues bimodales Terminal Lahr ; 3rd + 4th track = 3. und 4. Spur ; 3rd Apennine Crossing = 3. Apenninen-Überquerung ; Port Extension and Upgrade 1’000m€ until 2020 = Hafenerweiterung und Aktualisierung 1’000 Mio. EUR bis 2020.

Übersetzung und Adaptation: ChM.

 
 
Ergänzungen

Zu den Ereignissen nach den Tunnelarbeiten in Rastatt:

Majorie van Leijen, “The Rastatt incident: lessons learnt and steps to take”, railfreight.com, 12-10-2017.

Anne Kerriou, « Accident de Rastatt: les acteurs du fret ferroviaire évoquent des milliards de pertes pour l’économie » (Die Akteure des Güterverkehrs auf der Schiene sprechen von Milliardenverlusten für die Wirtschaft », Actu Transport Logistique, 7 septembre 2017

 
Foto 2. Betuwe Route (Niederlande), dem Güterverkehr gewidmete Bahnstrecke zwischen dem Hafen von Rotterdam und der Ruhr

Voie ferrée dédiée au fret

Foto von Nederbetuwe, 2008, Lizenz von GNU (Quelle).

 

2. Die europäischen Rahmenmechanismen für den rheinischen Bahnkorridor

Erst seit dem Maastrichter Vertrag von 1992 können die europäischen Instanzen aktiv an der Planung der für den europäischen Transport maßgeblichen Infrastrukturen teilnehmen. Allerdings ist ihr Einfluss nur indirekt zu spüren, und zwar über eine Mitfinanzierung, die zur Inangriffnahme eines Bauvorhabens beitragen kann, ohne jedoch jemals eine Anordnung zu sein. Nach einer fast zwanzigjährigen Versuchsphase ist es der Europäischen Kommission und dem Parlament gelungen, eine Doktrin zu erstellen (Sichelschmidt, 1999). Um dies zu erreichen, stützt sich diese auf drei Vorschriften, die den Mitgliedsstaaten durch direkte Übertragung in nationale Gesetzgebungen auferlegt sind:

  • Die Vorschrift EU 913/2010, welche die Korridore für die Bahnfracht festlegt ;
  • Die Vorschrift EU 1315/2013, welche die Infrastrukturen des TEN-V mit vorgesehener Fertigstellung 2030 erfasst (Gesamtkostenvoranschlag geschätzt auf 750 Mrd. EUR) ;
  • Die Vorschrift EU 1316/2013, welche die Finanzierung mit Hilfe der Connecting Europe Fazilität ausweitet und die existierende finanzielle Seite verstärkt.

Die Nachverfolgung der Durchführung und Übereinstimmung mit den Direktiven obliegt den nationalen Verwaltern der Bahninfrastrukturen. Es ist hervorzuheben, dass die europäische Aktion im Hinblick auf die Verkehrsregeln im Netz zwingender ist als bei der Anpassung dieses Netzes, die den nationalen Behörden obliegt. Im ersten Fall bewegt man sich im Bereich des Wettbewerbrechts, dessen Regeln den Staaten auferlegt sind; im zweiten Fall beschränkt sich die EU darauf, gezielte Finanzierungen vorzuschlagen. Die Staaten haben die Möglichkeit, diese zu verwirklichen oder auch nicht, wobei sie im letzteren Fall erhebliche Finanzmittel einbüßen, die bis zu 40 % der Investitionen darstellen können. Diese Unterstützung ist oft ein entscheidender Hebel. Die Kommission schätzt zum Beispiel, dass jede TEN-Million 5 Millionen Investitionen in den Mitgliedsstaaten bedeutet und 20 Millionen im Privatsektor (Website Toute l’Europe, 2017).

Für die Rheinachse wie auch für die anderen vorrangigen Korridore bezeichnet der Begriff « europäischer Korridor » eine Wirklichkeit, die in Schichten gegliedert ist, welche sich nicht immer exakt abdecken, auch wenn sie sich zum Teil überlagern (Abb. 5). So kann man die gemeinten Ebenen als eine hierarchische Verschachtelung darstellen, ausgehend von einer umfassenden politischen Definition bis hin zur präzisesten technisch-modalen Auswirkung. Danach können diese Ebenen für den rheinischen Bahnkorridor folgendermaßen charakterisiert werden:

  1. Die TEN (Transeuropäische Netze) – Korridore konzentrieren sich auf das Angebot multimodaler Infrastrukturen (darunter die Bahn). Sie definieren das 2012 festgelegte Kernnetzwerk (core network), das bis heute als Leitlinie gedient hat (vgl. Abb. 1).
  2. Die RNE – Korridore (Rail Net Europe) gruppieren seit 2004 die europäischen Verwalter von Bahninfrastrukturen und die Vergabeorgane der Trassen (Fahrpläne und Kapazitätenzuordnung) auf vorbestimmten Routen (Rousseaux, 2012). Ihre Koordinierung soll Qualität und Effizienz des internationalen Bahnverkehrs verbessern. Ihr Verlauf wird allmählich den RFC-Korridoren (siehe unten) angepasst, mit dem er seither völlig übereinstimmt.
  3. Die ERTMS – Korridore: das European Rail Traffic Management System oder System für Management und Steuerung des Eisenbahnverkehrs ist eine Signal- und Kontrolleinrichtung für Züge (es entspricht im deutschen Sprachraum dem Zugleitungssystem, A.d.Ü ) und soll die Interoperabilität fördern. Seit 2007 wird seine Umsetzung entlang den ERTMS Korridoren mit Buchstaben unterstützt (Korridor A zwischen Rotterdam und Genua), dann mit Ziffern, Rotterdam – Genua wird zum Korridor 6 (Vorschrift 913/2010 EU) (Abb. 6). Seit 2007 wird seine Umsetzung entlang den ERTMS Korridoren, die mit Buchstaben (Korridor A zwischen Rotterdam und Genua) dann mit Ziffern - Rotterdam-Genua wird zum Korridor 6 (Vorschrift 913/2010 EU) – gekennzeichnet werden, gefördert.
  4. Die RFC – Korridore. Ein rail freight corridor ist eine vorentwickelte internationale Trasse (d.h. die Fähigkeit, Züge aufgrund von reserviertem Durchfahrtsrecht verkehren zu lassen). Während herkömmlicherweise die nationalen Verwalter damit befasst waren, fordert jetzt die europäische Vorschrift die Einrichtung von « zentralen Anlaufstellen ». Die Verwaltungsverfahren für den Verkehr sowie die Programmierung der Wartungsarbeiten am RFC entlang sind inzwischen harmonisiert worden und sorgen für höhere internationale Fluidität.

Historisch betrachtet sind die verschiedenen beschriebenen « Schichten » in der umgekehrten Reihenfolge als oben vorgestellt entstanden, was die fehlende Übereinstimmung der Strecken und der festgelegten Umkreise erklären könnte. In der Tat hat die Kommission sehr frühzeitig Gesetze über die technischen Vorgaben des internationalen Güterverkehrs erlassen, um den Austausch wieder anzukurbeln (RFC-Korridor), bevor ihr bewusst wurde, dass es notwendig ist, diese Achsen mit einheitlichen Systemen auszustatten (ERTMS), um dann eine anspruchsvolle Koordinierung zwischen den nationalen Verwaltern zu entwickeln (RNE-Korridore). Schließlich kam das Achsenschema und seine Steuerung dazu, das der Konzeption des TEN-V zugrundegelegt wurde und auch das vom Bahnverkehr her gewonnene Prinzip auf die anderen Transportarten und einen multimodalen Ansatz ausgeweitet hat. Die letztgültige Fassung der Abb. 1 ist somit das Ergebnis der Verallgemeinerung einer Vorgehensweise, die zunächst einmal, technisch gesehen, dem Güterverkehr per Bahn vorbehalten war. Dies wurde dann sozusagen zur Vorlage für das derzeitige System. Bemerkenswert ist auch die bevorzugte Zerlegung des Netzes in lineare und integrierende Korridore. Der Bau der TEN-V entspringt also keineswegs einem abstrakten Verfahren, sondern ist im Gegenteil in der Lösung von konkreten Verkehrsproblemen verankert.

Aufgrund ihrer zwanzigjährigen Geschichte verfügt jede dieser Schichten über eine auf Koordinierung und spezifischen Absprachen basierte Steuerung.

3. Die Hebel innerhalb der TEN-V Governance

Es ist heute noch eine bedeutende Arbeit zu leisten, um die verschiedenen Ansätze zusammenzuführen, welche jede der funktionellen Schichten kennzeichnen, und die Vielfalt der Akteure zu koordinieren.

3.1. Staaten und europäische Institutionen zwischen Anreiz und Koordinierung

Konnte man den funktionellen Rahmen der Einrichtung in Betracht ziehen, so bleibt doch die Frage nach seiner Verwaltung bestehen. Hierfür muss man tiefer in die Führung des Systems eindringen, welche auch wieder stufenweise angegangen werden soll.

In ihrer Verkehrspolitik stützt sich die EU grundsätzlich auf das Wettbewerbsprinzip. Der Wille, die Bahn zu fördern, hat jedoch die europäischen Instanzen dazu geführt, die Koordinierung der großen internationalen Verkehrswege um zwei Pole herum mit nachfolgender Ausweitung einzusetzen:

  • Es hat sich als unverzichtbar herausgestellt, auf die Koordinierung der Netzwerkverwalter (Verwaltungsausschuss) zurückzugreifen, um ein attraktives Angebot zu gewährleisten, das technische Unterbrechungen überwinden kann und dauerhafte Beziehungen zwischen den Akteuren der Steuerung der Güterverkehrskapazität herstellt (Abb. 5a). In diesem Stadium hatte sich die EU noch mit keinem Gesamtbild für ihre Verkehrspolitik versehen und überließ weite Teile davon den Mitgliedsstaaten. So wird das System von einem Vorstand gesteuert, der aus von den Staaten ernannten Vertretern besteht mit wenig Initiative für die gemeinschaftlichen Gremien.
  • Die TEN-V Governance wurde später mit einer weiter übergreifenden Perspektive geschaffen und sichert den europäischen Institutionen die Rolle des multimodalen Anregers. Die Finanzmittel, welche der EU zur Verfügung stehen, verleihen ihnen eine zentrale Stellung in der Einrichtung. Diesmal ist die Kommission wirklich mitten in der TEN-V Governance, welche sie als einen Ort für Austausch und Diskussion mit dem Korridorforum strukturiert, sowie auch als Steuerungseinrichtung mit der Ernennung einer Koordinierungsperson, welche für die Supervision und Animation eines Korridors zuständig ist (Abb. 5b).

So haben wir hier zwei funktionelle Pole. Der erste Pol, die Steuerung der Güterkorridore, ist mehr technischer Natur und mehr auf operative Antworten von Seiten der Verwalter der nationalen Netzwerke ausgerichtet, welche von den Staaten kontrolliert werden. Der zweite Pol, die TEN-V Governance unter Aufsicht der Europäischen Kommission, hat demgegenüber eine eher politische Dimension, die mit der Zuteilung der Finanzmittel und der Überwachung der Durchführung befasst ist. Verbleibt der Bau von Brücken zwischen den Polen. Es bestehen recht offene Verbindungen für Rücksprache und Kooperation zwischen beiden Instanzen und ihre genauere Untersuchung wäre sicher wünschenswert.

Abb. 5. Steuerung der Güterkorridore und TEN-V Governance
Antoine Beyer — organigramme pilotage des corridors fret rte-t  

Diese Architekturen erinnern auch an zwei wichtige Modelle von europäischen Institutionen, die erste, nämlich die Steuerung der Güterkorridore, zeigt Gemeinsamkeiten mit dem funktionalistischen Modell des europäischen Aufbaus, den « praktischen Arrangements » unter nationalen Sachverständigen, die einen von nationalen Scheuklappen befreiten Weg beschreiten, doch immer unter dem strengen Auge der Regierungen, wie Jean Monnet sie sich vorstellte. Die zweite Architektur, die der TEN-V Governance, teilt den europäischen Gremien eine wichtigere Rolle in Gestalt der Vertreter zu, welche dazu berufen sind, Aufsicht zu führen, politische Initiativen auszulösen und darüber vor der Kommission und dem Europäischen Parlament Rechenschaft abzulegen. Das ist der Übergang von einem technisch-institutionellen Räderwerk zu einer eindeutig politischeren Einrichtung. Dabei ist die Verbindung herzustellen zum Umfang der vom gemeinschaftlichen Etat bereitgestellten Mittel für die Verwirklichung der Infrastrukturen, selbst wenn die Aktivierung der Investition letztlich vom (guten) Willen der Staaten abhängt. Man kann außerdem hervorheben, dass die Konzertierungsinstanz, die zweite in diesem Schema, offener ist und die Vertreter der Staaten, die Körperschaften und die Betreiber auf eine Stufe stellt. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass die Koordinierungsperson in diesem Stadium keine reale Anordnungsbefugnis hat.

3.2. Die Schlüsselrolle der europäischen Koordinatoren

Für jeden der neun Korridore ernennt die Kommission seit 2014 einen europäischen Koordinator mit dem Auftrag, die Durchführung voranzutreiben. In einem Jahresbericht legt er den Verlauf der Projekte dar, in dem Fortschritte hervorgehoben und, wenn nötig, Empfehlungen ausgesprochen werden. Der Koordinator ist eine im Bereich des Verkehrswesens anerkannte Persönlichkeit, gehört jedoch keinem der durchfahrenen Staaten an und ist so in der Lage, die technischen und finanziellen Aspekte der Dossiers aus der Nähe zu verfolgen. Er fungiert so als Fürsprecher bei den betreffenden Teilnehmern, um schwierige Situationen zu klären und zu lösen oder Fälle von Stillstand zu überwinden. Das regelmäßig stattfindende Forum, das er leitet und zu dem die für den Verkehr zuständigen nationalen Minister sowie die Betreiber, die großen Träger und die wichtigsten Akteure geladen sind, bietet Gelegenheit zu Austausch und Information. Parallel dazu führen oft internationale Beratungsteams Studien durch, welche zu den Überlegungen beitragen und dem Koordinator so ermöglichen, den betreffenden Ländern Vorschläge zu unterbreiten. Auf diesen Grundlagen können dann die Finanzierungsanträge gestellt werden. Schließlich erstattet der Koordinator einmal pro Jahr dem Europäischen Parlament Bericht über den Fortschritt der Arbeiten. Für den Rhein-Alpen Korridor war der letzte Koordinator der Pole Pawel Wojciechowski, seit 2015 Nachfolger der Spanierin Ana Palacio. Beide sind wichtige Persönlichkeiten, die ministerielle Funktion in ihrem eigenen Land innehatten und auf brillante internationale Karrieren zurückblicken können.

3.3. Die Bedeutung der Koalitionen von regionalen Akteuren

Das Projekt des Rhein-Alpen Korridors hat zu einer Annäherung von öffentlichen und halböffentlichen Akteuren auf einer innerstaatlichen Basis geführt, welche das Ziel hat, ein integriertes Transportangebot auf der Rotterdam-Genua Strecke effektiv umzusetzen. Ihre Strukturierung ist noch sehr jung. Konfrontiert mit der Notwendigkeit, sich dieser Herausforderung zu stellen, haben die örtlichen (regionalen und kommunalen) Körperschaften und die Verwalter der Infrastrukturen mit gemeinsamen Interessen zusammengefunden, oft mit der finanziellen Unterstützung der europäischen Gremien. Sie treiben eine integrierte Planung auf den verschiedenen territorialen Ebenen an (Saalbach, 2018). Diese Strukturen sind aktive Schaltstellen zur örtlichen Förderung der europäischen Verkehrspolitik, insbesondere bei ihren eigenen nationalen Vorgesetzten. Für die rheinische Bahnfracht konnten wir zwei größere Gruppierungen dieser Art feststellen:

  • die Interregional Alliance for the Rhine Alpine Corridor
  • die Hafenbehörden des Oberrheins (Upper Rhine Ports)
 
Kasten 2. Zwei Gruppierungen zur Förderung der Kooperation
A. Die interregionale Allianz für den Rhein-Alpen Korridor

Die Interregional Alliance for the Rhine Alpine Corridor wurde 2015 als europäische Vereinigung für grenzüberschreitende Kooperation gebildet. Sie versammelt etwa zwanzig Mitglieder verschiedener Nationalitäten und gab zunächst den Rahmen für eine von europäischen Fonds finanzierte Forschung ab, unter dem Namen Code 24 für die Zeit von 2010-2015. Ihre verschiedenen Akteure bildeten dann eine Interessengemeinschaft zur Förderung der Integration der Bahnstrecke und zur Mitfinanzierung der technischen Prüfungen mit europäischer Unterstützung. Sie organisiert so regelmäßige Treffen der beteiligten Akteure und gewährleistet die Verbreitung der Information.

Zur Durchführung der Studien wendet sie sich an bestimmte Mitglieder und verlässt sich auf das technische und wissenschaftliche Know-how der akademischen Welt. Die bemerkenswerten Arbeiten der Gruppe Code 21 (2010-14) mit 50 % von den investierten 1,7 Mio. EUR aus europäischen Fonds wurden mit Studien zur Optimierung des kombinierten Verkehrs (ERFLS – European Rail Freight Line System) und einem Budget von 1,25 Mio. EUR von 2015-2018 fortgeführt, ebenso wie mit einer Untersuchung zur Verbindung der hohen Geschwindigkeit mit dem regionalen Bahnangebot (RAISE-IT für Rhine-Alpine Integrated and Seamless Travel Chain), einem mit 1,67 Mio. EUR dotierten Projekt (2017-2019). Derartige Maßnahmen betonen den Vorteil einer verstärkten Korridorstrategie, welche von der Europäischen Kommission unterstützt wird, insbesondere, da sie auf grenzüberschreitenden Annäherungen beruhen.

Abb. 6. Der Aufbau der Interregional Alliance for the Rhine Alpine Corridor
carte La structure de l’Interregional Alliance for the Rhine Alpine Corridor

 

Realisation: Antoine Beyer nach Interregional Alliance for the Rhine Alpine Corridor.

B. Upper Rhine Ports, ein Bündnis von Hafenbehörden zur Verbesserung der Intermodalität

2012 schließen sich neun der bedeutendsten Häfen des Oberrheins (Ludwigshafen, Mannheim, Karlsruhe, Kehl, Strasbourg, Colmar/Neuf-Brisach und RheinPorts Basel-Mulhouse-Weil) zum Verband « Upper Rhine, a connected corridor » zusammen. Mit der finanziellen Unterstützung der EU (50 % der 2 Mio. EUR aus dem Budget von «Connecting Europe ») werden Untersuchungen durchgeführt, um einen Masterplan auf der Ebene des betroffenen Einzugsgebiets zu koordinieren, und um dann den intermodalen, insbesondere den Schienenverkehr durch Gegenseitigkeit des Angebots und gemeinsame Abkommen über Zubringerstrecken mit den großen Seehäfen zu entwickeln (2014-2017). Konkret wird dies umgesetzt mit der Einführung eines gemeinsamen Systems, des RPIS (RheinPorts Information System) welches ermöglicht, die Reservierung der Zeitnischen an den Liegeplätzen zwischen den Häfen zu koordinieren, wo die Schiffe nacheinander anlegen. Diese verstärkte Koordinierung kann so Verspätungen voraussehen und auf diese Weise die intermodale Effizienz erhöhen.

Drei der Haupthäfen dieses Zusammenschlusses, nämlich Mannheim, Strasbourg und Basel, haben außerdem an örtlichen Untersuchungen zur Einführung von LNG (Liquid Natural Gas oder Flüssiggas) als Treibstoff für den Flussverkehr im weiteren Rahmen eines LNG Gesamtplans für Rhein-Main-Donau teilgenommen. Die Hälfte der Finanzierung übernahmen die EU und die Schweiz (Eidgenossenschaft und die Kantone Basel-Stadt und Basel-Land).

Der Zusammenschluss der Hafenbehörden (Abb. 7) innerhalb einer gemeinsamen Struktur erhöht die Sichtbarkeit der Akteure und fördert Modernisierung und Effizienz ihres Angebots mit Hilfe der europäischen Subventionen. Diese Gliederung verstärkt den Austausch zwischen den Partnern und festigt ihre Verhandlungsposition gegenüber Verladern und Reedern. Im Gegenzug fördern die europäischen Gremien die Umsetzung einer aktiven Politik der modalen Verlagerung und der Reduzierung der Treibhausgase, und sie verstärken die Diskussion über die notwendige, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, um die gemeinsamen Herausforderungen anzugehen.

Abb. 7. Die Partner der Upper Rhine Ports – Kooperation
carte Upper Rhine Ports

carte Upper Rhine Ports

Quelle: http://www.upper-rhine-ports.eu/fr/

 

Die Rolle dieser Strukturen für Zusammenarbeit ist in mehrfacher Hinsicht wichtig: sie dienen dazu, die örtlichen Erwartungen zu präzisieren und gegebenenfalls praktische Lösungen mit geschäftlichen Interessen anzupeilen, welche die Aneignung der Investitionen sicherstellen. Diese beiden Aspekte sind oft nicht im Blickfeld nationaler Verwaltungen; außerdem stellen diese Strukturen Verbindungen zwischen den europäischen Instanzen und solchen Ansprechpartnern her, die direkt an der Verwirklichung von Projekten außerhalb von nationalen Prioritäten beteiligt sind, und mit deren Einfluß sie in den Debatten rechnen können.

Unter diesem Blickwinkel erscheint die Europäische Union weit eher als Vermittlerin und Katalysatorin denn als Entscheidungsträgerin in dem Sinne, dass sie ihre Entscheidungen einseitig durchsetzen könnte. Die Entscheidungsmacht liegt eher im Horizont einer strategischen Orientierung, die der Lesbarkeit eines globalen Projekts entspringt, und welche im Rahmen einer vertieften und dauerhaften Zusammenarbeit mit allen Beteiligten geteilt wird, und wo der finanzielle Hebel zwar wichtig, aber nicht zwingend ist. Die Entscheidungsmechanismen, die Verzahnung der territorialen Sachzwänge, die Vielzahl der Einflußnahmen und die Verschiedenheit der Ansprechpartner kennzeichnen de facto eine Form des Regierens auf mehreren Ebenen (Poupeau, 2017).

Foto 3. Der Katzenbergtunnel (Baden-Württemberg)

Tunnel du Katzenberg

Einige Kilometer vor Basel gelegen, wurde dieser Tunnel 2012 in Betrieb genommen. Kostenpunkt 610 Mio. EUR.

Foto: Hoff1980 2012, Lizenz Creative Commons 3.0 (Quelle)

 

Schlussfolgerung: die multidimensionale Steuerung der transeuropäischen Korridore

Das Prinzip des TEN-V hat sich mit Hilfe einer Europakarte und ihren neun großen Korridoren in leuchtenden Farben weit verbreitet. Es liefert eine Botschaft und zeugt von einer politischen Ambition. Die schlichte schematische Darstellung verbirgt in Wirklichkeit eine unerwartete Komplexität in Bezug auf Betriebs- und Entscheidungsmechanismen. Der Einfluss der europäischen Gremien ist in Wirklichkeit sehr indirekt. Trotz möglicher Annäherungen bleiben die Staaten Entscheidungsträger; auf alle Fälle kann man sagen, dass in Bezug auf die Verwirklichung von Infrastrukturen die EU vorschlägt, und die Staaten verfügen. Es liegt dann bei den gemeinschaftlichen Gremien, die Voraussetzungen für wirksame Zusammenarbeit zu schaffen.

Das gemeinschaftliche Argument hat an Bedeutung gewonnen in dem Maß, in dem die europäischen Hilfen sich auf das Hauptnetz konzentrierten mit einer Unterstützung von 20 zu 40 % der Kosten. Die Summen sind allerdings in Beziehung zu setzen zu den oft notwendigen Kosten für Anschlüsse und Folgearbeiten. Aber sie reichen aus, um die nationalen Entscheidungen zu orientieren, umso mehr, als im Wettlauf der Staaten um die Vergabe der Gelder der Mitnahmeeffekt ins Spiel kommt, im Sinne von « use it or loose it ».

Vom finanziellen Interesse einmal abgesehen, ist es der Kommission gelungen, ein echtes Governance Engineering aufzubauen, das die Bildung einer « Koalition von Akteuren » fördert, um es mit einem Jean Monnet wichtig gewordenen Wort auszudrücken. Um dies zu erreichen, greift sie an mindestens drei Fronten ein:

  • Mit einem offiziellen Repräsentanten, dem Koordinator der Korridore, der ernannt ist, um die Arbeiten zu verfolgen, den Projekten politisch bei den nationalen Behörden Nachdruck zu verleihen, den Austausch zwischen den Akteuren zu erleichtern und schließlich in den euopäischen Gremien über die Fortschritte Bericht zu erstatten ;
  • Mit Steuerungsstrukturen, welche die Kontinuität der Aktion garantieren im Hinblick auf die Verbindung der nationalen Akteure dies- und jenseits der Grenzen, seien sie nun politischer, technischer oder modaler Art. Die wechselseitige Kenntnis der Projekte und die Einheitlichkeit der Daten spielen eine entscheidende Rolle. Hier findet sich ein weiteres Prinzip von Jean Monnet, nämlich eine Nachhaltigkeit, die sich auf die Institutionen stützt ;
  • Durch die Anregung, Gutachten und fachliche Arbeiten in Auftrag zu geben und die Vernetzung der örtlichen Akteure zu fördern, welchen oft mehr Verwirklichung von großen grenzüberschreitenden Projekten am Herzen liegt. Im Dialog mit ihren europäischen Partnern werden sie in der Lage sein, sich bei ihrer Regierung dafür einzusetzen. Einige dieser Gruppierungen haben sich im Bereich eines Korridors konstituiert wie im Fall von Code 24, oder aber nur für ein Teilstück, wie etwa Upper Rhine Ports am Oberrhein.

Derartige Entwicklungen unterstreichen das Ausmaß, in dem die Gliederung eines Transportkorridors sich gleichzeitig auf verschiedenen geografischen Ebenen abspielt und dabei unterschiedliche Stufen der politischen Entscheidungsträger mobilisiert.

Mit dem Management des Rhein-Eisenbahnkorridors zeichnet sich so mehr und mehr eine politische Rationalität des europäischen Handelns ab, die eher horizontal als vertikal ist, die mehr am Kompromiss orientiert ist, und welche Einzelinteressen in die Verwirklichung des Allgemeininteresses weiterzuleiten versteht. Es bringt seine komplexe Einflussnahme in einer mehrstufigen Verwaltung ins Spiel, die es zunächst einmal nicht gerade bei der Entscheidungsfindung fördet. Obwohl heute niemand mehr seine Legitimität in Frage stellt, so bleiben die ihm zugeteilten institutionellen und finanziellen Mittel bescheiden. Es hat auch ein Management Engineering entwickelt, bei dem sein Einfluss mit den von ihm ausgebauten Kanälen auf den verschiedenen Entscheidungsstufen gewachsen ist. Schließlich, und noch vor der tatsächlichen Fertigstellung, besteht das entscheidende Verdienst des TEN-V darin, die Planung von Infrastrukturen auf kontinentaler Ebene vereinfacht zu haben, sowohl in Bezug auf den Informationsaustausch zwischen Verwaltungen und Akteuren als auch in der Fähigkeit, Akteure zur Kooperation zu bringen, die bis dahin wenig international gedacht haben. Der Weg zu einem zusammenhängenden und einheitlichen Netz ist jedoch noch lang, und das für 2030 vorgesehene Datum der kompletten Inbetriebnahme ist vermutlich zu optimistisch, um eingehalten werden zu können.


Bibliografie

  • Bavay A., Guihéry L. (2018), « Retour sur l'incident de Rastatt et l'interruption du corridor 1 Rotterdam - Gênes : quelles perspectives pour l'Europe ferroviaire ? », Revue Générale des Chemins de Fer, no. 282, mai 2018, p. 58-68.
  • Beyer A. (2014), La construction d'un espace européen des transports. Du principe de souveraineté nationale aux modalités de son dépassement, habilitation à diriger les recherches, 319 p.
  • Egtc-rhine-alpine (2014), Code 24, One corridor, One strategy.
  • Commission européenne (2014), Rhine-Alpine Core Network Corridor Study Final Report December 2014, Bruxelles, 493 p. [pdf].
  • Commission européenne (2017), Delivering TEN-T. Facts & Figures, Bruxelles, 68 p. [pdf].
  • Poupeau F.-M. (2017), Analyser la gouvernance multiniveaux, Coll. Politique, PUG, 253 p.
  • Rousseaux, p. (2012). Rail freight corridors, Presentation in the RNE Business Conference, Frankfurt, Germany.
  • Saalbach J. (2018), "Interregionale Kooperation im Rhein-Alpen Korridor in Pallagst K. et al.Border Futures – Zukunft Grenze – Avenir frontière : Zukunftsfähigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit, Arbeitsberichte der ARL  20, p. 232-247.
  • Schwok R. Suisse-Union Européenne. L’adhésion impossible ?, Coll. “Le Savoir Suisse”, n° 35, Presses Polytechniques et universitaires romandes, Lausanne, 2ème édition, 2010, 149 p.
  • Sichelschmidt, H. (1999). The EU programme “trans-European networks”—A critical assessment.
  • Touteleurope (2017), Le réseau trans-européen de transport.

 

Antoine BEYER
Professor an der Universität von Cergy-Pontoise.

aus dem Französischen übersetzt von Charlotte MUSSELWHITE-SCHWEITZER

 

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Diesen Artikel zitieren:

Antoine Beyer « Das Management des Rhein-Alpen-Eisenbahnkorridors, eine praktische Umsetzung des europäischen Aufbaus durch das Transportwesen », Géoconfluences, April 2019. Übersetzung von Charlotte Musselwhite-Schweitzer, Januar 2021.
URL : https://geoconfluences.ens-lyon.fr/programmes/dnl/dnl-hg-allemand/rhein-alpen-eisenbahnkorridors

Pour citer cet article :  

Antoine Beyer, Traduction : et Charlotte Musselwhite-Schweitzer, « Das Management des Rhein-Alpen-Eisenbahnkorridors, eine praktische Umsetzung des europäischen Aufbaus durch das Transportwesen », Géoconfluences, janvier 2021.
https://geoconfluences.ens-lyon.fr/programmes/dnl/dnl-hg-allemand/rhein-alpen-eisenbahnkorridors